Die Elbe verlässt bei Hřensko (ehem. Herrnskretschen) Tschechien und fließt nach Sachsen.
Politz an der Elbe, das heutige Boletice nad Labem, liegt etwa 16 km südlich dieser Grenze elbeaufwärts auf der rechten Seite des Flusses in Nordböhmen.
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Das Gebiet um Politz war schon vorgeschichtlich besiedelt, wie Bodenfunde zeigen. Die Entstehung des Ortsnamens lässt viele Deutungen zu.
Die während der Jahrhunderte wechselnden Schreibweisen (z.B. Boltiz, Poltiz, Polticz, Poltitsch, Pohlitz) sind im Rahmen der Namensbildung von Ortschaften üblich.
Politz war bis zur einsetzenden Industrialisierung ein kleines Dorf mit landwirtschaftlicher Prägung. 1833 werden in der Chronik 29 Häuser mit 194 Einwohnern sowie ein Wirtshaus vermerkt.
1869 werden 180, 1890 292 deutsche Einwohner gezählt. Mit Errichtung der Emailierwerke (Haardt & Co., später Sphinx AG) 1892, der chemischen Fabrik (Hermann Ehret,
später Stolle & Kopke) 1899 und der Konkordia-Spinnerei Stöhr & Co. 1903 entwickelte sich das Dorf rasch in eine Industrie-Gemeinde, die 1919 bereits 2.920 Einwohner und 192 Häuser hatte.
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Der Ortsname wird erstmals in Urkunden von 1430 erwähnt. Die von der Herrschaft Tetschen 1654 durchgeführte Landesaufnahme ergab,
dass damals in Politz 10 Bauern, 2 Häusler (Kleinstbauern mit wenig Grund), 1 Chalupner (Häusler mit ärmlichster Unterkunft) und 2 Gärtner ansässig waren.
Die damals festgestellten Familiennamen gab es in Politz noch bis 1945.
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Der 30-jährige Krieg von 1618-1648 forderte auch im Elbetal seinen Tribut. Dörfer wurden geplündert,
Felder verwüstet. Erst im Oktober 1648 zogen die Schweden ab. In den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Preussen und Österreich um die Vormachtstellung im deutschsprachigen Raum
(Siebenjähriger Krieg 1756-1763 und Schlacht bei Königgrätz 1866) zogen wiederholt Truppen durch Politz und versetzten die Bevölkerung in Angst und Schrecken.
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Um 1870 hatte das kleine Bauerndorf Politz 284 Einwohner und wurde von der Nachbargemeinde Neschwitz verwaltet.
Die Bewohner gingen nach Neschwitz zur Kirche, die Kinder dorthin zur Schule. Die Schule war das kleine Fachwerkhaus neben der Kirche, das im Jahr 1712 erbaut und 1830 erweitert wurde.
Da im Jahr 1883 die Zahl der eingeschulten Schüler aus den umliegenden Ortschaften bereits 130 betrug, baute man an anderer Stelle ein neues Schulhaus, das im September 1886 eingeweiht wurde.
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Bevölkerungsentwicklung in Politz
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Den Politzer Kindern war vorgeschrieben, auf dem Kirchweg (jetzt Kostelni) zur Schule zu gehen.
Das Benutzen der Bezirksstraße war ihnen bei Strafe verboten. Wie der Chronist Emil Hieke schrieb "hemmten alle Unbilden der Witterung den Schulbesuch nach Neschwitz nicht und in den Winterzeiten
wurde nach größerem Schneefalle mit einem der Gemeinde gehörigen primitiven Schneepflug, welcher von Pferden gezogen wurde, Bahn gemacht".
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Um 1900 begann im Ort der Aufbau von Industriebetrieben. Mit der Betriebsaufnahme der Emailgeschirrfabrik Haardt & Co kamen
erstmals Familien aus der Steiermark und Kärnten nach Politz. Arbeitskräfte aus dem Egerland, Bayern, Sachsen und anderen Ländern fanden hier Arbeit und eine neue Heimat.
Mit dem Zuzug von Industrie und Arbeitskräften entstanden nach und nach auch Handwerks- und Handelsbetriebe sowie viele Geschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs.
Zahlreiche Gasthäuser waren Treffpunkt zum Gedankenaustausch und zur geselligen Unterhaltung.
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Politz um 1900
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Am 31.12.1901 erstrahlte zum ersten Mal die aus neun Petroleum-Lampen bestehende Straßenbeleuchtung.
Lampenanzünder war Ignaz Grünzner aus Nr. 33.
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Zum Wohle aller errichteten Bauten wurde am 3.7.1902 die Freiwillige Feuerwehr Politz gegründet.
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Für viele, die in die Fabriken nach Bodenbach zur Arbeit gingen,
verkürzte sich der tägliche Arbeitsweg ganz erheblich, als im Sommer 1903 an eine Überfähre von Politz auf die andere Elbeseite nach Wilsdorf in Betrieb genommen wurde.
Die Fähre kam natürlich auch den Arbeitern zugute, die von der linken Elbeseite nach Politz wollten.
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Am 20.4.1906 beginnt die Kanalisierung des Ortes durch die Firma Rella & Neffe aus Wien.
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Politz, um 1900 noch der Gemeine Neschwitz unterstellt, wuchs rasch.
Im September 1903 bewilligte daher der "hohe Landesausschuss" im Einvernehmen mit der Stadthalterei die angesuchte Lostrennung von Neschwitz. Politz wurde eine selbstständige
Gemeinde, gehörte aber weiterhin zur Pfarrei Neschwitz. Die kleine Neschwitzer Schule konnte bald die vielen Kinder nicht mehr aufnehmen. 1905 wurde daher in Politz eine eigene Schule
eingerichtet, die den Schulbetrieb zunächst in angemieteten Räumen aufnahm. Am 01.09.1906 konnten die ein eigenes Schulgebäude beziehen.
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Politz um 1928 |
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Politz wurde früher in Anlehnung an die Bodenverhältnisse volkstümlich auch "Stein-Politz" genannt.
Im März 1907 beschloss die Gemeindevertretung um die Festsetzung des Namens der Gemeinde als "Politz an der Elbe" anzusuchen, um auch eine Unterscheidung zu den Orten Politz bei Sandau
und Politz an der Mettau zu haben.
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Im April 1909 begann mit der Inbetriebnahme des Gemeinetelefons die "moderne Zeit".
Bald folgten zahlreiche weitere Telefon- und Telegraphenanschlüsse. Nicht ganz so schnell war die Post, die erst im August 1912 im Haus Nr. 100 ein Postamt einrichtete.
Da Politz bis zu dieser Zeit zum Postamt Neschwitz gehörte, lautete damals die Ortsangabe in der Postanschrift der Firmen "Neschwitz-Politz".
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Der "letzte Weg" der Politzer führte bis Ende 1919 nach Neschwitz.
Als Politz einen eigenen Friedhof bekam, wurde dieser aus hygienischen Gründen weit abseits des Ortes angelegt.
Die erste Beerdigung auf dem neuen Friedhof an der Hortauer Straße war im Januar 1920.
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Die Änderung der politischen Verhältnisse nach dem 1. Weltkrieg gingen auch an der Schule nicht spurlos vorbei.
Mit Beginn des Schuljahres 1919/1920 wurde im Schulgebäude eine tschechische Landesvolksschulklasse eingerichtet. Im Oktober 1920 fand in den deutschen Gebieten Böhmens als Protest
gegen die zahlreichen Schließungen deutscher Schulklassen (Zusammenlegung von Klassen) ein allgemeiner Schülerstreik statt. Auch die Politzer Schule war von Klassenschließungen betroffen.
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Am 5. Juni 1926 wird Politz von einem schweren Unwetter heimgesucht, das große Schäden anrichtet.
Die stündlich steigende Flut des durch Politz fließenden Steinbaches vernichtete eine bestehende chemische Fabrik und schwemmte Straßen, Brücken und Gärten weg.
Das mitgeführte Treibgut verstopfte bald das Bachbett und die Wassermassen suchten sich einen neuen Weg durch die Straßen des Ortes.
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Unwetter 1926 |
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1932 wird die Jugendfeuerwehr in Politz a. d. Elbe gegründet. |
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Jugendfeuerwehr Politz |
Foto: Robert Liebisch (1932) |
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"Was die Politzer unter Mitwirkung gebefreudiger Firmen und Förderer zur Weckung der Liebe und Begeisterung ihrer Jugend für die Mitarbeit in der Freiw. Feuerwehr getan haben, ist wohl einmalig.
Der Kommandant der Freiw. Werksfeuerwehr der Sphinx AG, Friedrich Helmreich, der auch lange Bezirksfeuerwehrkommandant war, hatte die Anregung gegeben, eine Jugendfeuerwehr zu gründen. Gemeindevorstehr Franz Günzel
brachte diesem Vorschlage viel Verständnis entgegen und half sogleich mit, ihn zu verwirklichen. Die Uniformen stellte eine Teplitzer Firma. Der Licht- und Wassermeister Karl Rudolf, ein alter Praktiker, und sein Schwager
Karl Illner, bauten in ihrer Freizeit eine fahrbare, einsatzfähige Motorspritze mit Elektroantrieb und allem Zubehör. Auch ein kleiner Hydrant zum Anschluss an die Gemeindewasserleitung, ein Kleinmotorrad für den
Melder und noch andere nützliche Dinge wurden von den beiden erstellt. Den Elektromotor und die Kreiselpumpe widmete die Firma Sphinx. Im Fabrikshofe der Sphinx AG und auf dem Turnplatze wurden die Übungen abgehalten.
Erstmals öffentlich in Erscheinung getreten ist die stattliche Jugendfeuerwehr beim Politzer Wohlfahrtsfeste 1932. Eindrucksvoll war ihr Marsch im Festzuge. Auf dem Festplatze bei der Turnhalle gab es eine Brand-Schauvorführung.
Die drei Politzer Feuerwehren, die Ortsfeuerwehr sowie die Freiw. Werksfeuerwehren von Sphinx und von Stöhr & Co., versahen den Absperrdienst. Es galt den Brand eines für die Übung aufgestellten Hauses zu löschen und die
gefährdeten Inwohner in Sicherheit zu bringen. Eine Jugend-Samaritermannschaft zeigte dabei ebenfalls ihr Können. Hornisten, Marketenderinnen, alles war vertreten. Als nach dem Abblasen die Jugendwehr mit Musikbegleitung abrückte,
spendeten ihr die versammelten Einwohner der großen Industriegemeinde und viele Neugierige aus den Nachbarorten aufrichtigen und herzlichen Beifall." (Emil Hieke)
(Artikel aus "Trei da Hejmt", 13. Jahrgang / Folge 24 / Weihnachten 1960. "Trei da Hejmt" ist das offizielle Mitteilungsblatt des Heimatkreises Tetschen-Bodenbach und bringt auch heute noch interessante Beiträge von früher sowie Aktuelles aus dem heutigen Bezirk Decin und kann beim Heimatverband Tetschen-Bodenbach e.V. bestellt werden.)
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1945/1946 wird die deutsche Bevölkerung enteignet und ausgesiedelt (vertrieben). Politz an der Elbe wird neu besiedelt und heißt seitdem Boletice nad Labem.
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"Die Kulissen der wunderschönen nordböhmischen Landschaft erwachten zum Leben durch die Menschen, die über Jahrhunderte hinweg in ihr lebten und diese Landschaft mit dem
Handlungsgeschehen vieler Sagen über Zwerge, Schätze, Waldelfen, Feen und andere Märchengestalten verknüpften. Landschaft und Menschen. Ein festes Band, aus dem
die Sitten, Dialekte, Handwerke usw. geboren wurden, ein festes Band, das das Gefühl von Heimat gebiert.
Nach dem zweiten Weltkrieg blieb nur die Landschaft. Die Menschen wurden ausgetauscht. An die örtliche Folklore konnte nicht angeknüpft werden,
und sämtliche neuzeitlichen Versuche, sie wiederzubeleben, laufen ins Leere. Fünfzig Jahre sind eine zu kurze Zeitspanne, um eine tiefgehende Bindung zwischen den Menschen und der
Landschaft in der sie leben, entstehen zu lassen. Und so bleibt nichts anderes übrig, als zu warten."
(Zitat aus "Edition der Reiseführer durch die Tschechische Republik - Die Region Děčín", herausgegeben 2004 von Ceska turistika s.r.o.,
Děčín; ISBN 80-903410-1-2).
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